Agri-Photovoltaik – Doppelte Ernte für die Landwirtschaft

erstellt am: 01.08.2022

Die Bundesregierung will den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland beschleunigen. Kritiker befürchten, dass dadurch fruchtbare Ackerflächen für die landwirtschaftliche Nutzung verloren gehen. Mit dem innovativen Konzept der Agri-Photovoltaik (Agri-PV) ließe sich jedoch der Wunsch vieler Landwirte in Deutschland realisieren, Feldfrüchte anzubauen und gleichzeitig auf derselben Fläche Solarstrom zu erzeugen. In Fachkreisen spricht man von einem idealen Beispiel für intelligente Flächennutzungskonzepte der Zukunft und einem weiteren wichtigen Baustein für den Klimaschutz. Die Agri-PV ist dabei längst kein Nischenprodukt mehr: Laut dem Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) erfährt die installierte Leistung für Agri-PV weltweit einen exponentiellen Anstieg. Während sie vor zehn Jahren noch bei knapp 5 MWp lag, waren im Jahre 2021 bereits mindestens 14 GWp installiert.

Speziell der Obstanbau steht durch die Folgen des Klimawandels vor großen Herausforderungen. Die Produzenten sehen sich gezwungen, deshalb immer mehr auf geschütztere Anbaumethoden zu setzen. Hier könnten PV-Technologien in Form von semi-transparenten und hoch aufgeständerten Modulen Folien und Netze ersetzen, welche wetterbedingte Risiken wie Hagelschlag, Sonnenbrand und nässebedingten Schaderregerbefall im Anbau minimieren. Das geschätzte Potenzial in Deutschland allein für hoch aufgeständerte Agri-PV umfasst laut Fraunhofer ISE rund 1700 GWp installierbare Leistung. Große landwirtschaftliche Maschinen können problemlos unter solchen Modulen arbeiten. Eine kostengünstigere Variante sind bifaziale (sprich beidseitig PV-aktive), senkrecht aufgestellte Module, die in Reihen aufgestellt oftmals weniger als 1% der Fläche einnehmen und zwischen denen weiterhin bewirtschaftet oder geweidet werden kann. Durch eine Ost-West Ausrichtung können die Module vor allem morgens und nachmittags viel Sonnenstrahlung einfangen, wenn konventionelle PV-Kraftwerke eher wenig Strom produzieren.

Der landwirtschaftliche Mehrwert setzt sich aus verschiedenen Vorteilen einer Agri-PV-Anwendung zusammen. Diese Vorteile speisen sich aus einer Verringerung des Hitzestresses für die Kulturpflanzen durch Beschattung, einer Reduzierung des Krankheitsbefalls und des Bedarfs an chemischen Pflanzenschutzmitteln, der Bewässerung mit regenerativ erzeugtem Strom, einer höheren Biodiversität und stabileren Erträgen, auch unter extremen Wetterbedingungen.  So belegen Studien, dass sich der Schattenwurf der Solarmodule positiv auf die Lufttemperatur, das direkte Sonnenlicht und den Wasserbedarf auswirkt und somit den Ertrag einiger Feldfrüchte sogar ankurbelt.

Als Leitfaden für eine einheitliche Umsetzung von Agri-PV in Deutschland wurde die DIN SPEC 19434 von Expert*innen aufgestellt. In dieser Auflage wird geregelt, dass nicht mehr als 10-15% der Gesamtprojektfläche für die Agri-PV-Anlage „verbraucht“ werden dürfen und die Ertragsminderung auf Agri-PV-Flächen den Maximalwert von 34% nicht übersteigen darf. Mittels Verschattungsanalysen, deren Daten in eine Formel zur Berechnung des Ertrags in Abhängigkeit der Sonneneinstrahlung eingesetzt werden, kann im Voraus sichergestellt werden, dass die Regelung zur Ertragsminderung eingehalten wird.

Die neue Solartechnik birgt jedoch auch Herausforderungen, die es zu klären gilt. So gibt es zum einen Bedenken, dass Agri-PV-Anlagen sich wegen der im Vergleich zu konventionellen PV-Anlagen höheren Investitionskosten nicht rechnen. Zum anderen müssen im Voraus zuverlässige Prognosen landwirtschaftlicher Erträge erstellt werden, um die am besten geeigneten Obst- und Gemüsesorten für den Anbau unter/zwischen den Modulreihen zu identifizieren. Eine weitere technisch zu lösende Frage betrifft die Randbereiche der PV-Module, die stärkeren Regeneinflüssen unterliegen (Abtropfbereiche), und somit bei Starkniederschlägen anfällig für Bodenerosion sind. Innovative Lösungsansätze zeigen, wie das Regenwasser beispielsweise an der Unterkante der Module gesammelt und in einem Tank gespeichert werden kann. Dieses Wasser könnte anschließend Böden für die landwirtschaftliche Produktion bewässern oder sogar eingesetzt werden, um die PV-Panels zu kühlen oder zu reinigen. Trotz Forschungs- und Optimierungsbedarf im Anlagendesign, besitzt die Agri-PV ein immenses Potenzial zur effizienten doppelten Flächennutzung und sollte in großem Umfang genutzt werden.

Bedauerlicherweise herrscht in Deutschland nach aktueller Gesetzgebung oftmals immer noch Unklarheit über die notwendigen Schritte für eine Baugenehmigung. Auch Fördermöglichkeiten im Rahmen der Innovationsausschreibungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2021) setzen bis dato keine adäquaten Anreize. Hier bleibt abzuwarten, inwiefern die Bundesregierung ihre Pläne, innovative Solarenergie zu stärken, umsetzen wird.

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