Am Anfang war das Flächenpotenzial – oder doch die Netzkapazität?

erstellt am: 14.03.2023

Im ersten Quartal 2020 wurde erstmals mehr Strom aus erneuerbaren Energien als aus konventionellen Energieträgern in das deutsche Stromnetz eingespeist. Auf diesem Erfolg darf sich jedoch nicht ausgeruht werden, denn für eine klimafreundliche und versorgungssichere Zukunft muss noch einiges an sauber produzierter Energie hinzukommen.

Glücklicherweise gibt es noch unausgeschöpftes Flächenpotenzial für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien. Dieses Potenzial muss aber erst einmal gefunden werden. Durch die vielen einzuhaltenden Restriktionen ist die Standortfindung geeigneter Flächen bereits ein zeitintensiver Prozess und wird nun zunehmend durch einen weiteren Faktor erschwert: mancherorts stößt die Netzkapazität an ihre Grenzen. Eine detaillierte Netzprüfung wird wichtiger denn je.

Damit die sauber produzierte Energie allen zur Verfügung steht, ist die Netzanbindung, sprich der Anschluss der Anlage an das öffentliche Stromnetz, ein wesentlicher Schritt. Vorrausetzung für den Betrieb der PV-Anlage ist eine Einspeiseerlaubnis durch den Netzbetreiber. Die Anbindung neuer Solarparks an das öffentliche Netz wird jedoch immer mehr zu einer Herausforderung – sogenannte Netzengpässe verlangsamen die Energiewende. Für die benötigten erneuerbaren Erzeugungskapazitäten ist das Stromnetz oft nicht angemessen ausgebaut, der Ausbau geht zu langsam voran. Denn auch beim Netzausbau dauern die Genehmigungsverfahren nicht selten mehrere Jahre.

Doch nicht nur die fehlenden Netzkapazitäten verlangsamen Projektplanungen von PV- Anlagen. Auch das Fehlen von einheitlichen, eigens zugänglichen Informationen zur unverbindlichen Prüfung der Netzkapazität stellt ein Hindernis im Planungsvorgang dar. In Deutschland gibt es keine flächendeckende Transparenz über die Auslastung der Netze. Ob im Mittelspannungsnetz noch freie Kapazitäten vorliegen oder doch ein neues Umspannwerk hermuss, kann von außen nicht eigenständig geprüft werden.  Größtenteils müssen die Informationen über die Netzverfügbarkeit von Projektierungsunternehmen oder auch Privatpersonen beim zuständigen Netzbetreiber angefragt werden – ein Vorgang der (aus eigener Erfahrung) auf Grund von stark erhöhter Nachfrage viel Zeit in Anspruch nehmen kann, in der Regel etwa zwei Monate. Meist handelt es sich dabei dann bereits um eine konkrete Netzanschlusszusage, wofür auch oft schon sehr präzise Informationen zu der genauen Auslegung der Anlage nötig sind.

Da der mit solchen Anfragen verbundene Arbeitsaufwand hoch ist und die Personalressourcen begrenzt sind, kommen Netzbetreiber dem Ansturm von Anfragen nicht hinterher. Der Vorgang einer unverbindlichen Netzprüfung würde dementsprechend alle Seiten entlasten und könnte viel mehr digitalisiert und automatisiert ablaufen, um diese Prozesse zu beschleunigen und grundlegende Prüfungen früh im Projektverlauf durchzuführen. Da dies aber in naher Zukunft nicht realisierbar sein wird, gilt es, die zuständigen Netzbetreiber schon früh im Planungsprozess zu kontaktieren und eine Prüfung der Netzverträglichkeit anzufragen. Hierfür wird im Regelfall die Zustimmung der Flächeneigentümer*innen benötigt, die es dementsprechend auch früh einzuholen gilt. Dabei muss angemerkt werden: Diese Zustimmung bezieht sich allein auf die Netzprüfung und bedeutet keine endgültige Entscheidung auf Seiten der Flächeneigentümer*innen für die Verpachtung ihrer Flächen für die Errichtung erneuerbarer Energien.

Öffentlich zugängliche Karten, wie die grobe Darstellung der Netzkapazitäten im Energieatlas Bayern oder die individuellen Portale einzelner Netzbetreiber geben erste Hinweise auf eine mögliche Netzauslastung. Sie können dadurch den Projektierungsunternehmen und auch den Flächeneigentümer*innen viel Arbeit ersparen, da so die Realisierungswahrscheinlichkeit der Projekte besser abgeschätzt werden kann und unrealistische Projekte schneller verworfen werden können. Deshalb wäre ein Ausbau solcher Portale für unverbindliche Prüfungen der Netzkapazitäten überaus wünschenswert, würde die Energiewende beschleunigen und allen Beteiligten viel Aufwand und Ärger ersparen. Dies wird so auch im strategischen Zielbild der kürzlich vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz veröffentlichten „Photovoltaik-Strategie“ aufgeführt und lässt auf Besserung durch politischen Antrieb hoffen.

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