Windräder auf zerstörter Waldfläche: Energiegewinnung und Finanzierung der Wiederaufforstung

erstellt am: 25.04.2024

Eine zentrale Herausforderung beim Ausbau der Erneuerbaren Energien (EE) stellt die begrenzte Flächenverfügbarkeit dar. Neben der Flächenkonkurrenz und der Standorteignung für EE-Anlagen spielen besonders bei der Windenergie Abstandsregelungen eine Rolle. Die Nutzung von Kalamitätsflächen zur Errichtung von Windenergieanlagen (WEA) könnte dazu beitragen, die Situation zu entspannen. 

In der Forstwirtschaft versteht man unter Kalamitätsflächen durch Sturm, Dürre oder Schädlingsbefall zerstörte Waldflächen (auch Wald-Ausfallflächen genannt). In Deutschland haben Sturmereignisse, die zunehmenden Hitzesommer und Dürren seit dem Jahr 2018 und der damit zusammenhängende massenhafte Schädlingsbefall zu einem rasanten Anstieg der Kalamitätsflächen geführt. Am stärksten sind die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Sachsen betroffen. In einer Datenerfassung aus dem Jahr 2023 wurden zwischen 2018 und 2022 255 Mio. Festmeter (Kubikmeter fester Holzmasse) Kalamitätsholz erfasst 1. Der größte Anteil mit 233 Mio. Festmeter entfällt auf Nadelhölzer und die verbleibenden 22 Mio. Festmeter auf Laubhölzer. Die Schadfläche beträgt nach Schätzungen um die 500.000 Hektar 1, am stärksten sind dabei Fichtenwälder betroffen 2.  

Durch Einschränkungen der Umwandlung von Waldflächen in andere Nutzungsformen und die Wiederaufforstungspflicht ist der Schutz des Waldes im Bundeswaldgesetz sowie den Waldgesetzen der Länder verankert. Die Kalamitätsflächen müssen also aufgeforstet werden und stellen dadurch nicht nur eine ökologische und wirtschaftliche Herausforderung dar, sondern beeinflussen auch die Debatte um Windenergie im Wald. Zur Entschärfung der Flächenkonkurrenz wird seit Jahren die Nutzung von Wäldern für die Windenergie diskutiert, mittlerweile werden in immer mehr Bundesländern Waldflächen für die Windenergie geöffnet. Ende 2023 waren nach Erhebungen der Fachagentur Wind (FA Wind) 2.450 Windenergieanlagen mit einer Leistung von 6.959 MW im Wald in Betrieb. So können besonders windhöffige Standorte genutzt werden und weitere Kriterien, wie Abstandsregelungen, verursachen in der Regel keine Konflikte 3.

 

Die permanent für eine Windenergieanlage in Anspruch genommene Fläche für Fundament, Zuwegung und Wartungsarbeiten liegt nach einer Auswertung der FA Wind durchschnittlich bei 0,48 ha. Diese Fläche wird dem Wald entzogen und dauerhaft oder für die Betriebszeit der Anlage in eine andere Nutzung umgewandelt. Weitere 0,47 ha werden im Durchschnitt temporär zur Errichtung der Anlagen in Anspruch genommen und sind anschließend aufzuforsten oder der natürlichen Sukzession zu überlassen 3. Die Nutzung von Kalamitätsflächen ändert also nichts an der faktischen Waldinanspruchnahme, ist aber ökologisch und wirtschaftlich besonders sinnvoll: Einerseits werden keine intakten Waldflächen beansprucht, anderseits profitieren Waldbesitzende, die wegen der Kalamitäten mit Einkommensverlusten konfrontiert sind, durch die Einnahmen aus der Windenergie. Die Errichtung von Windenergieanlagen generiert somit eine neue Einnahmequelle für Waldbesitzende, die es ihnen ermöglicht, in eine klimaangepasste und resistente Aufforstung der Flächen zu investieren. Dazu eignen sich besonders Laub- und Mischwälder, die eine höhere Toleranz gegenüber Trockenheit und weiteren Stressfaktoren aufweisen, durch den langsameren Wuchs aber erst später gewinnbringend für die Fortwirtschaft sind.  

Durch die Flächenziele für den Ausbau der Windenergie der Bundesländer gewinnt das Thema Windkraft auf Kalamitätsflächen immer weiter an Relevanz und wird vermehrt durch die Landesplanungen aufgegriffen. In Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland ist Windenergie im Wald zulässig. NRW weist durch den neuen Landesentwicklungsplan explizit Kalamitätsflächen als Standorte für die Windenergienutzung aus, ebenso wie Waldgebiete in waldreichen Kommunen. Auch in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Thüringen wurden die Regelungen seit 2023 angepasst, sodass dort Windenergieanlagen im Wald eingeschränkt zulässig sind 3. 

Da sich der Wald ständig verändert, sind satellitenbildgestützte Analysetools besonders geeignet, um aktuelle Entwicklungen sowie zukünftige Trends auszuwerten. Mit der Kalamitätsflächenanalyse von solarea werden durch Indizes zur Vegetationsgesundheit und Feuchtigkeit, Kalamitätsflächen über eine Zeitreihe von mehreren Jahren sowie mögliche Schadflächen mit signifikantem Trend identifiziert. Unser Tool ist ideal, um langfristige Umweltveränderungen zu überwachen und entsprechende Managementstrategien zu entwickeln. Da die Errichtung von Windenergieanlagen auf Kalamitätsflächen politisch gewollt ist, können wir so unsere üblichen Windpotenzialanalysen um einen wichtigen Informationsvorsprung ergänzen.

Zusammenfassend demonstriert die Integration von Windenergie auf Wald-Kalamitätsflächen, wie zu Schaden gekommene Waldflächen und erneuerbare Energien Hand in Hand gehen können und sowohl eine Chance für die Energiewende als auch für die Wiederaufforstung des Waldes darstellen.  

 

Quellen:

[1] BMEL (2023):  https://www.bmel.de/DE/themen/wald/wald-in-deutschland/wald-trockenheit-klimawandel.html

[2] BMEL (2024): https://www.bmel.de/DE/themen/wald/wald-in-deutschland/duerrehilfen-waldbesitzer.html

[3] Fachagentur Wind an Land (2024): https://www.fachagentur-windenergie.de/aktuelles/detail/windenergienutzung-auf-forstflaechen-im-jahr-2023/